Vormünzliche Zahlungsmittel

Von Jurczok/Lösch/Nagl

In vorchristlicher Zeit war Geld noch keine geprägte Münze und auch kein »Scheinchen«. Damals, in den »vormünzlichen Epochen«, gab es auf unserem Globus Zahlungsmittel, die uns heute so exotisch wie die Zeremonien fremder Konfessionen erscheinen.

Der erste Handel unter Menschen war sicherlich ein Tauschgeschäft – Güter gegen Güter. Man kann auch von gegenseitigem Beschenken sprechen, aus welchem Anlass es auch geschehen mochte. Aber der Tausch erwies sich als eine nicht immer befriedigende Abwicklung beim Veräussern und Erwerben begehrter Dinge. Aus dieser Erfahrung haben sich die »Keimlinge des Geldes« in den grauen Vorzeiten unter den Menschen in den verschiedenartigsten Lebensgewohnheiten entwickelt.

Man braucht etwas Fantasie, um sich zurückzuversetzen in diese Vielfalt der Wurzeln der Geldgeschichte. Ein Zahlungsmittel bedurfte einer ganzen Anzahl von Eigenschaften und Reizen, die dem Empfinden der Menschen etwas Begehrenswertes abforderten. Wenn man die Aufspeicherung der Ergebnisse aus Fleiss und Arbeit als einziges Ziel in der Geldverwendung immer so gesehen hätte, wie heute, hätte Geld wohl weltweit ein ziemlich einheitliches Aussehen gehabt. Die Vielfalt dieser »primitiven« Wertzeichen hat sich aber aus der völkerkundlich erforschten unterschiedlichsten Zahlungspflicht entwickelt.

Fast alle Belegstücke sind im Ursprung von Analphabeten verabredete Wertmassstäbe.

Europa

Steinzeit und Metallzeiten

Europa, Metallbarrengelder

Für das nördliche Mitteleuropa ist im 5. bis 3. Jahrtausend v. Chr. umfangreicher Handel mit Feuerstein nachgewiesen. Dieses begehrte Material ist über mehrere hundert Kilometer in rohen Knollen, Halbfertigstücken und fertigen Gerätschaften transportiert worden. Der Mensch dieser Zeit besass keinerlei Münzen. Handel aber hat er nachweislich getrieben und es muss als gesichert angesehen werden, dass Feuerstein dabei als ein Wertmassstab gedient hat. Ein Wert, der Naturalien wie Fellen und Getreidekörnern vorgezogen wurde. Die Metallzeiten haben zwangsläufig die Steinwerkzeuge verdrängt. Da war das Kupfer, das vorwiegend aus dem Mittelmeerraum kam: schmelzbar, schmiedbar, schleifbar, nicht so zerspringend wie Stein, haltbar dazu. Und offen getragen schmückte es als Waffe seinen Besitzer. Als es mit ca. 10% Zinn zu Bronze legiert und verbessert wurde, war es für damalige Zeiten ein repräsentativer Besitz. Jeder bronzene Gegenstand war als »Barren« geeignet, von Hand zu Hand zu gehen. Vor allem die Ringformen waren als Mittel zum Entgelten geeignet und bei Bedarf sogar teilbar. Schmuckringe in verschiedenen Grössen aus Gold, Silber, Bronze und Eisen sind in der Literatur als »Geld« ausgewiesen.

Bernstein wurde von den Römern heiss begehrt, so dass er neben seiner Schmuckfunktion leicht als Geld verwendet werden konnte. Mit den Römern kam dann auch römisches Münzgeld in das Reich der Germanen. Sicherlich nur sehr langsam hat es die bestehenden Zahlungseinheiten abgelöst.

Ein typisches Geld war über Jahrtausende die Rinderwährung – man bezahlte mit Rindern beim Brautkauf, zur Abgeltung von Strafen, Steuern, Zinsen. Lange Zeit noch blieb das so – parallel zu der »römischen Münzen-Invasion«. Homer berichtet, der Preis für eine Frau habe bis zu 20 Rindern betragen.

Afrika

Afrika ist einer der Erdteile, der eine ungeheure Vielfalt von Perlen-, Waffen-, Geräte-, Barren- und Naturalgeldern aufweist. Völkerkundliche Forschungsreisende haben immer wieder die Mühen der Beschaffung des richtigen Zahlungsmittels für den jeweiligen Hoheitsbereich im sog. »Schwarzen Erdteil« ausgedrückt. Man spricht von um die tausend verschiedenen Perlenarten aus den verschiedensten erreichbaren inländischen oder eingeführten Materialien. So etwas wie Normen hat es dabei erst sehr spät gegeben. Dem Abschluss eines Handels ging ein langes Palaver mit viel Überredungskünsten auf beiden Seiten voraus, um die Wertgefühle auf einen Nenner zu bringen. Die Kaufkraft der Perlenketten unterlag den Gesetzen von Seltenheit, Beschaffbarkeit, Begehrtheit und manchmal der vom »Prinzipal« bestimmten »Mode«. Man kann wohl als sicher annehmen, dass die Gehäuse der Kaurischnecke (lat. Cypraea moneta) die Urform der Perlen war. Die leichte Erreichbarkeit von Kauris führte manchmal zu regelrechten Inflationen, wenn die Umlaufmenge nicht eingegrenzt wurde. 


Afrika, Metallbarrengelder

Bis heute ist nicht ausreichend nachgewiesen, seit wann die vielfältigen Barren-Gelder in Afrika zirkulierten. Vielleicht bringen die vielen Ausgrabungen in diesem Erdteil weitere Klarheiten. Die Kunstfertigkeit vieler Guss- und Schmiedetechniken und die besondere Stellung der Schmiede lassen den Europäer bisher nur staunen. Einzelne Ringgelder ähneln sehr denen der alten Germanen.

Salzbarren waren in Äthiopien (Abessinien) ein begehrtes, fast genormtes Wertmass, angelehnt an den Maria-Theresien-Taler. Die Kaufkraft stieg natürlich beim Salzgeld mit der Entfernung von der Abbaustelle. Elfenbein ist ein heute noch funktionierender Wertrepräsentant. Rum oder Gin war ein »Geldtyp«, den die Handels-Seefahrer und Kolonialmächte den Afrikanern (und anderen Menschenrassen) bescherten, ohne die Auswirkungen zu bedenken.


Afrika, Waffengelder

Das Verlangen, sich mit Reichtum zu schmücken, hat den Waffengeldern ihren Reiz gegeben. Führt man sich vor Augen, was mit einem Wurfmesser alles anzufangen ist, so erkennt man die Begehrtheit sehr bald. Waffen und Geräte konnten im Laufe der Jahrhunderte bis zur reinen Symbolform schrumpfen oder auch wuchern. Dann war die Phase »Münze« schon fast erreicht.

China/Hinterindien

China hat nach heutigem Wissensstand das älteste Wertzeichen-System. Schon viele Jahrhunderte vor dem Lydier-König Krösus hatte China gegossene Münzen, die den Toten für die »Überfahrt ins Jenseits« mitgegeben wurden. Spaten und Schwertmünzen sind die bekanntesten Typen, deren erste Ausgaben schon ca. 1000 v. Chr. gegossen wurden.


China-Hinterindien, Silberbarrengold

Die Sycee-Silber-Barren wurden in recht zuverlässiger Gewichtseinteilung im 19. und noch im 20. Jahrhundert als Geld verwendet. Die Währung lautete in Tael (1 Tael ca. 37 Gramm). Teeziegel gingen von China bis nach Sibirien als Naturalgeld, von dem auch Bruchstücke als »Scheidemünze« dienten.

Die Schmuckgelder der siamesischen Bergstämme dienten vorwiegend zum Brautkauf. Sie sind aus hochwertigem Silber kunstvoll gefertigt. Tigerzungen, Bootsgeld, Kugelgeld, Blütengeld, Blattgeld und verschiedene Stadtgelder bilden eine große Palette von teilweise legiertem Silber als Barren-Gelder, die, weil handlich, schon als Münzen anzusprechen sind. Ihre Einzugsbereiche sind von unterschiedlicher Grösse in Thailand, Laos, Kambodscha und Burma.

Südchinesisches Meer


Südchinesisches Meer, Reichtumsanzeiger

Von den Inseln im Süd-Chinesischen Meer stammen die sanduhrförmigen, bis zu 70 cm hohen Bronzetrommeln, die kein Musikinstrument sind, sondern nur als Brautgeld den Besitzer wechselten. Aus Java ist das Krisgeld (kleine Dolchklingen aus damasziertem Stahl, schwer zu fälschen) bekannt. Aus Borneo kommen Miniaturkanonen aus Bronze, die von Portugiesen zum Sklavenkauf eingeführt wurden. Mittlere Werteinheiten bildeten an einzelnen Stellen bronzene Büffelglocken und Bronze-Gongs. Kokosnüsse und Palmfaserringe (letztere in großen Mengen am Arm getragen) wurden auf den Märkten als »Kleingeld« gebraucht.

Ozeanien

Gelder der Menschen, die noch kein Metall kannten


Ozenaien, Gelder der Menschen, die noch kein Metall kannten

Ozeanien ist eine Inselwelt, die eine Metallzeit so gut wie nicht gekannt hat. Das Metall kam erst mit den Kolonialherren in nennenswerter Menge. Die »Währungen« sind fast ausschliesslich aus den zahlreichen Schnecken, Muscheln, Zähnen, Fasergeflechten, Federn und Matten sowie Steinen angefertigt worden. Kunstvolle Kombinationen und Fertigungen, die ein ursprüngliches Geistesleben ausdrücken, haben Nutz- und Schmuckgelder entstehen lassen, die der Europäer kaum als Zahlungsmittel erkennen kann. Die deutsche kaiserliche Kolonialmacht nahm sogar Steuern von den Eingeborenen in »Diwarra« an (ca. 6 bis 8 mm grosse, geschaffene Nassa-Schnecken, auf Palmfasern aufgereiht). Eine halbmondförmige Muschelscheibe namens »Kina«, die unter anderem als Brustschmuck getragen wurde, hat vor wenigen Jahren der Währung von Papua-Neu-Guinea den Namen gegeben. Diese modernen Banknoten tragen die Abbildungen der alten Geldzeichen, damit auch Analphabeten sich ihrer bedienen können. Viele Schmuckgeld-Kombinationen waren nur für bestimmte Zahlungen bestimmt.

Die vielen Besonderheiten werden wohl nicht alle restlos geklärt werden können. Völker, die ihre Vergangenheit nicht schreiben konnten, geben hier natürlich grosse Rätsel auf.

Amerika

Geldzeichen vor der Erobererzeit

Aus Südamerika berichten spanische Eroberer von Axt-Geldern, kleinen Glockengeldern, Kakaobohnen, Jadeit-Perlen und -Beilen. Teilweise wurde zu Beginn der Kolonialisierung die spanische Währung parallelisiert (z.B. 7 dünne Hackenblätter = 1 span. Real).


Geldzeichen von der Erobererzeit

Aus Nordamerika kannte die Hudson-Bay Company die »Währungseinheit« Biberfell, über die mit den Indianern vorwiegend gehandelt wurde. Viele Gegenstände wie Porzellanperlen, Flinten, Pulver, Angelhaken, Beile usw. kamen aus Europa und wurden als Wertmesser behandelt. Der Indianer hatte zuvor nur Feuerstein-Geräte und Waffen, Tabakblätter und Felle, die ihm für seinen Handel dienten.

Quelle: Helvetische Münzenzeitung, hmz@smile.ch